Резюме: | Berlin (dpa) - Sechs Wochen vor Beginn der Fußball-EM in der Ukraine spitzt sich die Diskussion über die politischen Missstände im Co-Gastgeberland der EURO 2012 zu. Sport und Politik sind im Menschenrechtsfall Julia Timoschenko gespalten.
Außenminister Guido Westerwelle und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sprachen sich strikt gegen einen Boykott der Großveranstaltung aus. Die Bundestags-Abgeordnete Dagmar Freitag forderte, dass sich auch der Sport in gravierende Fälle einmischen und seine Stimme erheben muss. Führende Fußball-Funktionäre lehnen dagegen eine Intervention des Sports in die Politik generell ab oder sehen dafür kaum Erfolgschancen.
«Ich halte wenig von Boykottaufrufen», sagte Westerwelle. Die EM sei gerade wegen des großen öffentlichen Interesses eine gute Gelegenheit, genau hinzuschauen, wie es um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in der Ukraine stehe. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe «noch keine Reisepläne» für einen möglichen Besuch von Spielen in der Ukraine gemacht, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
«Ich würde nicht mit Boykott drohen», meinte auch für den Sport zuständige Minister Friedrich auf eine Frage zum Menschenrechtsfall Timoschenko. Die frühere Regierungschefin der Ukraine ist aus Protest gegen ihre Haftbedingungen in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. «Boykottideen», betonte Friedrich, sind «nicht geeignet, dem, was Sport ausdrücken will - nämlich das Völkerverbindende und den fairen Wettbewerb der Jugend -, gerecht zu werden.» In diesem Punkt sei man sich «im Bereich des Sports in Europa» einig.
«Ich glaube schon, dass der Sport auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe hat», sagte Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, im ARD-Morgenmagazin. «Sport ist keineswegs ein Satellit im rechtsfreien Raum. Er hat sehr wohl die Aufgabe, seine Stimme zu erheben», meinte die SPD- Politikerin.
Freitag kritisierte damit jüngste Äußerungen von UEFA-Präsident Michel Platini, der vor der Fußball-EM (8. Juni bis 1. Juli) in der Ukraine und Polen die Einmischung in Regierungsangelegenheiten ausgeschlossen hatte. Platini hatte sich für Zurückhaltung ausgesprochen. «Die UEFA ist keine politische Institution und wird nie eine sein», sagte der Franzose.
Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sieht derzeit keine Druckmittel des Sports im Fall Timoschenko. «Denn wir als Sportverband können nicht die Probleme lösen, die die Politik bisher nicht lösen konnte», sagte der neue DFB-Präsident Wolfgang Niersbach am Dienstagabend im «heute journal» des ZDF. «Wenn wir wissen, dass es der Bundesregierung nicht gelungen ist, mit ihrem Einfluss eine medizinische Behandlung von Frau Timoschenko in Deutschland zu ermöglichen, dann wird das auch schwer über das Ereignis EURO 2012 zu realisieren sein.»
Mit einem persönlichen «Boykott» will Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer des alten und neuen Fußballmeisters Borussia Dortmund, ein Zeichen setzen: «Das wird zwar in der Ukraine niemanden interessieren, aber solange Frau Timoschenko keine medizinische Behandlung von unabhängigen Ärzten erhält, werde ich bei der EM nicht in die Ukraine reisen.»
Nach den politischen Kontroversen um die Absage des Formel-1-Rennens in Bahrain und um das EM-Gastgeberland Ukraine rückt zudem Weißrussland in den Fokus. Dort soll 2014 die Eishockey-WM stattfinden. Aufgrund der Menschenrechtssituation haben Politiker für eine Absage des Turniers plädiert. Der Sportausschuss arbeitet laut Dagmar Freitag derzeit an einem fraktionsübergreifenden Antrag, «national wie international darauf hinzuwirken, dass diese Eishockey-Weltmeisterschaft in Belarus 2014 nicht ausgetragen wird».
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