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1989 – Jetzt! | Die Gunst der Stunde

Резюме:Das vereinte Europa hätte seinerzeit zum Global Player aufsteigen können, scheitert dann aber an sich selbst
Die Gunst der Stunde

Die heißen Versprechen klingen wie Schwüre. Aber sicher doch, die deutsche Einheit kann nur ein vereintes Europa rahmen, heißt es 1989/90 allenthalben bei west- und ostdeutschen Politikern. Auch wenn uns die Geschichte übermannt – wann tat sie das nicht in Deutschland, sobald es ernst wurde? –, bedarf der Ereignisstrom befestigter Ufer. Und das können nur die Gestade Europas sein. Frankreich und Großbritannien sind es, die mit Skepsis antworten. Präsident Mitterrand fliegt Ende 1989 zum offiziellen Besuch nach Ostberlin, trifft Ministerpräsident Modrow und ein DDR-Staatsoberhaupt, das ihm protokollarisch angemessen, aber politisch nicht gewachsen und daher geeignet ist, den provokanten Zweck der Reise zu unterstreichen.

Manfred Gerlach, damals Vorstand der ostdeutschen Liberaldemokraten, hat den glücklosen Egon Krenz im Vorsitz des Staatsrates beerbt und wird gemeinhin als Übergangslösung empfunden. Mitterrand hilft das Understatement beim Gastgeber, um in Ostberlin ein Statement loszuwerden, das speziell für Kanzler Kohl gedacht scheint: Vorläufig schreiben wir die DDR noch nicht ab. Nach derart klarem Bescheid steht der britischen Premierministerin Thatcher nicht der Sinn, doch kann auch sie dem Abschied von deutscher Zweistaatlichkeit nur wenig abgewinnen. Monate später wird ein konzilianter, die DDR freigebender Michail Gorbatschow Kohls Kronzeuge für die Gunst der Stunde. Wer jetzt noch bremst, dem sitzt „das deutsche Volk“ im Nacken. Kohl spricht das nie aus, aber es liegt in der Luft wie eine Erpressung. Umso mehr gilt: Fürchtet man in Paris, London oder anderswo, ein um die DDR aufgestocktes Deutschland könne zu mächtig, zu unberechenbar, zu sehr sich selbst überlassen sein, wird das Auffangbecken Europa gebraucht.

Der Europäischen Gemeinschaft (EG, ab 1992 EU) widerfährt eine Aufwertung von Rang. Bis dahin Gegenspieler des Ostblocks wie die NATO ist sie als Gegner weniger exponiert als die Militärallianz, folglich besser geeignet, die deutsche Einheit zu flankieren und Brücken von West- nach Osteuropa zu schlagen. Die Annahme lautet: War einst die EWG dazu gedacht, die westdeutsche BRD einzuhegen, warum sollte dies der EU nicht für eine gesamtdeutsche BRD gelingen? Und geht die nicht mit dem Vertrag von Maastricht (1992) so weit, ihr Einheitsvehikel DM für das Gemeinschaftsgeld Euro zu opfern? Der EU beschert das den nächsten Bedeutungsgewinn, denn nun rückt gar die Finalität europäischer Integration in den Blick, der Aufstieg von der Freihandelszone über die Wirtschafts- und Währungs- zur Politischen Union – von der Regionalmacht zum Global Player.

Dass es so weit nie kommt, hat ebenfalls der Euro zu verantworten. Er treibt auseinander, was wegen abweichender ökonomischer Tatkraft so eng dann doch nicht zusammengehört. Der Staatenbund ist mehr ein Staatenbündel. Ein Offenbarungseid, den es früher oder später ohne den Epochenbruch von 89/90 vermutlich genauso gegeben hätte, nur beschleunigt der ihn ungemein.

2009 schließlich erklärt das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zum Lissabon-Vertrag, dass der deutsche Nationalstaat als Teil Europas keinen Souveränitätsverzicht hinnehmen müsse. Als die Eurokrise ausbricht, kann sich davon ein von Kanzlerin Merkel dominiertes Krisenmanagement legitimiert fühlen. Vorübergehend lässt es an Souveränität der Krisenländer nur zu, was deutschem Interesse nicht schadet. Wie sich zeigt, fehlt dem vereinten Europa in schlechten Zeiten das Transnationale, um jenseits von nationalem Begehren und europäischer Vertragspflicht das Gemeinschaftliche als Solidarität zu pflegen. „Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen“, verkündet im November 2011 der CDU-Politiker und Merkel-Vertraute Volker Kauder. Ein von Hochmut getränkter Bescheid, dem zu entnehmen ist, dass es doch etwas wurde mit dem deutschen Europa, wenn die 1990 beschworene Geschäftsgrundlage der deutschen Einheit auf die Macht des Faktischen stößt. Bleibt dadurch das vereinte Europa wirklich „unter seinen Möglichkeiten“, wie gern beklagt wird? Ist es nicht eher auf der Höhe derselben, wenn sich ein auf oben und unten gegründetes Beziehungsgefüge Geltung verschafft?

Erscheint es daher ratsam, die 1990 vergebene Bestallungsurkunde zurückzugeben und den gescheiterten Global Player zu entpflichten? Die Vorteile lägen auf der Hand. Die dissidenten Osteuropäer hätten die Chance, wieder mehr unter sich zu sein. Man könnte sich die Schimäre einer gemeinsamen Außenpolitik ersparen, die in Syrien so wenig greift wie beim Ukraine-Konflikt, woran Deutschland – so realitätsfern und ideologiebeflissen es zuweilen agiert – einen Anteil hat. Es würde auch nicht weiter auffallen, dass beim Brexit zänkische Vereinskultur vorherrscht, die dem Abtrünnigen nichts schenkt, statt ihn ziehen zu lassen. Leider reicht die eher bescheidene Vernunft des Westens nicht so weit, klarsichtig einzugestehen, was längst vorgezeichnet ist. Mitterrand und Thatcher indes könnten aufatmen, würden sie noch leben. Das vereinte Europa hat das vereinte Deutschland zwar nicht domestiziert, doch neutralisiert haben sich beide schon.

Info

Dieser Beitrag ist Teil unserer Wende-Serie 1989 – Jetzt!

Lesen Sie mehr in der aktuellen Ausgabe des Freitag.

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Дата публікації:01.12.2019 7:00:00
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Додано:01.12.2019 8:08:22




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